Liebe Freunde, liebe Leser,
Rücksicht, Toleranz, Freiheit….das ist heute in aller Munde. Es sind Ziele, die edel klingen. Doch oft sind Menschen, die sich damit schmücken alles andere als das… In meiner heutigen Kurzgeschichte „Klarabella Wichtig“ ist das ein bisschen ironisch aufgezeigt. Und doch ist es so. Wie immer ist alles erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen und Lebewesen sind rein zufällig.

Klarabella Wichtig
Klarabella Wichtig macht alles richtig. Sie ist eine taffe Frau und auch noch hip, umweltbewusst und engagiert. Klarabella setzt sich für die Freiheit ein, für die Menschenrechte, für die Artenvielfalt und für das Ehrenamt. Da hat sie natürlich einen vollen Terminkalender und muss ihre liegenbleibende Haus- und Gartenarbeit und ihre Freizeit in den wenigen freien Minuten unterbringen. Und ihre beiden Nichten, für die Klarabella die beste Tante der Welt ist.
Klarabella gähnt, steht auf und reißt das Fenster auf. Ja, es wird ein schöner Tag, dieser Feiertag. Endlich mehr Zeit für sich. Die anderen Nachbarn schlafen noch, in diesen frühen Morgenstunden um halb sieben, als Klarabella schon im Garten steht und den Rasenmäher anwirft. Doch der zickte ein wenig. Klarabella zog und zog, das Gerät ratterte und schepperte und ließ sich letztendlich doch dazu überreden, seine Arbeit zu tun. Putzmunter lief Klarabella mit ihrem Rasenmäher durch den Garten, als sie einen älteren Mann an ihrem Haus vorbeilaufen sah. Er hob die Hand zum Gruß und da Klarabella eine freundliche Frau war und den lauten Rasenmäher übertönen musste, brüllte sie über den Zaun, was es doch für ein schöner Tag sei und dass sie dem Mann viel Spaß bei seinem Feiertagsspaziergang wünsche.
Ein paar Minuten später war Klarabella fertig, leerte den Fangkorb in die Tonne und knallte den Deckel zu. Zufrieden lief sie ins Haus, schlug die Haustüre zu und kam wenige Minuten später wieder mit einem Eimer Wasser und Handschuhen heraus. Das Auto musste dringend geputzt werden und da Klarabella wochentags so viel zu tun hatte, blieb ihr nichts anderes übrig, als das Auto am Feiertag zu putzen. Fröhlich pfiff Klarabella bei der Arbeit vor sich hin, denn Klarabella war ein musikalischer Mensch. Dann erst fiel ihr ein, was fehlte. Also warf sie ihren Putzlappen in den Eimer und schaltete das Autoradio ein. Die Hörerwünsche gefielen ihr, dazwischen viel Informationen in Lautstärke. Es sollte niemand sagen, Klarabella sei nicht informiert. Sie drehte die Lautstärke ein klein wenig höher, denn wenn sie das Heck putzte, würde sie die Diskussion nicht richtig verstehen. Doch die war wichtig. Verbrauchertipps, Feiertagtipps, Wochenendtipps, gesundes Essen, Nachhaltigkeit und Umweltschutz.
Gerade das Thema war Klarabella wichtig. Sie hatte sich deshalb drei große Windräder in den Garten gestellt. Diese waren zwar zu groß für den Garten und auch drei Mal so laut als erlaubt, aber der Klimawandel musste gestoppt werden. Da musste sie auch traurigen Herzens zusehen, dass immer wieder Vögel tot in ihrem Garten lagen. Damit sie beim Schlafen nicht vom Lärm der Windräder gestört wurde, ließ Klarabella die Räder auf der entlegenen Gartenseite aufstellen. Die Katzen jaulten bei dem Lärm, die Hähne krähten, die Vögel schimpften, die Hunde bellten und auch die Menschen hielten sich die Ohren zu, weil der Lärm unerträglich war.
Klarabella ärgerte das Verhalten. Sie hatte dafür kein Verständnis, denn der Klimawandel musste gestoppt werden und Klarabella, die keine hohen Preise zahlen wollte, war zudem vorbildlich. Bevor ihre Nichten zum Tantennachmittag kamen, wollte Klarabella noch eine Runde mit ihrem Sportcabrio drehen. Der Auspuff röhrte. Ein Sound, der Klarabella gefiel und so drehte sie extra Runden.
Dann kamen die Nichten. Klarabella war eine Tante, wie man sie sich als Nichte wünschte. Sie hatte Verständnis für die Kinder, die natürlich spielen und Spaß haben wollten. Klarabella hatte deshalb immer eine Überraschung. Heute fuhren sie mit den Tretrollern den Berg herab, allen voran Klarabella. Sie war eben jugendlich geblieben. Sie hatte Verständnis für die Kinder. Vorgestern hatten sie getrommelt, manchmal schrien sie herum, vor lauter Freude am Spiel.
Doch dann wurde Klarabella krank. Sie hatte einen Unfall und sich dabei den Fuß gebrochen und den Arm verstaucht. Viel konnte sie nicht tun. Ihre Nichten waren im Urlaub, das Leben war ziemlich öde geworden. Klarabella lag auf der Liege im Garten. Ein Buch hatte sie aufgeschlagen, doch sie konnte sich nicht konzentrieren. Von irgendwoher dröhnte eine Musik so laut aus dem Auto, dass sie sich fast die Ohren zuhalten musste. Irgendjemand telefonierte im Garten laut, dass jedes Wort zu verstehen war. Ein Fußball klatschte immer wieder auf der Straße auf, Schulkinder ratterten mit ihren Fahrrädern auf den Straßen, manche hatten Musik dabei. Es war einfach laut. Und bei jedem Laut jaulten und schimpften die Tiere.
Nun reichte es Klarabella. Sie ging zu jedem Krachmacher und forderte „RÜCKSICHT“. Doch, Rücksicht könne man nehmen. Es sei alles eine Frage der Erziehung. Wenn nun nicht endlich auf sie Rücksicht genommen werde, dann… Ja, dann würde sie sich etwas einfallen lassen.