Es knackte fürchterlich laut, als Donna die Haustüre aufsperrte, die Taschenlampe in der anderen Hand haltend. Diese brauchte sie in der stockfinsteren Nacht. Es war kurz nach Mitternacht. Donna hielt kurz inne. Das ist das Holz, es arbeitet, beruhigte sie sich und tastete nach dem Lichtschalter. Doch gerade als sie drücken wollte, krachte es noch lauter. Es klang als würde jemand auf dem Dachboden laufen. Wie schockgefrostet stand Donna im Flur, die Augen genauso weit aufgerissen wie den Mund. Nur nicht schreien, sonst würden die Eltern aufwachen. Dann wäre Ärger gewiss, mahnte sich Donna. Wie kam der Eindringling ins Haus, überlegte Donna, die noch immer bewegungslos da stand. Unsinn, niemand ist im Haus. Es ist das Holz. Es arbeitet, rief sich Donna die tröstenden Worte ihres Vaters ins Gedächtnis. Er sagte das immer, wenn sie schlecht geträumt hatte. Meist, wenn sie unerlaubt vorher gruselige Filme schaute, was sie eigentlich nicht durfte. Damals, als sie noch zehn Jahre alt war. Nur die Vorliebe für Gruselfilme und Psychothriller war geblieben. Das schien in den Genen zu stecken. Denn ihre Schwester Amy liebte diese Filme auch. Besonders Stephen Kings Friedhof der Kuscheltiere. Wochenlang lag Amy ihrer Schwester in den Ohren, den kleinen Hasen Johnny zu vergraben, damit er wieder lebendig werden würde. Wobei, es stimmte nicht so ganz mit dem Film überein, denn Amys Hase war ein Kuscheltier, hatte also nie Leben ins sich und konnte somit auch nicht lebendig werden. Trotzdem wollte sie ihrer kleinen Schwester den Gefallen tun. Donna hatte ihre Winterjacke über den Schlafanzug gezogen und war mit dem Stoffhasen in der Hand in den Garten gelaufen, um das Schmusetier zu vergraben. Von ihren Zimmerfenstern aus würden sie beobachten können, ob etwas geschah. Der Versuch musste heute Nacht geschehen, da ihre Eltern nicht zu Hause waren. Amy hatten sie mitgenommen, sie war noch zu klein, um mit Donna allein im Haus zu bleiben, entschieden die Eltern. Vielleicht bin ich auch zu jung dazu, überlegte Donna, die noch immer bewegungslos im Flur stand. Auf dem Dachboden war es inzwischen still. Schritte waren keine mehr zu hören. Vielleicht war der Eindringling auf dem Weg nach unten, zu ihr, dachte Donna. Auf ihren Armen bildete sich eine Gänsehaut. Winselnd kam T-Rex zu ihr geschlichen. Der kleine Dackel drückte sich an Donnas Beine, winselte erneut und schaute sie mit einem fragenden, ängstlichen Blick an. Als sich Donna bückte, um ihn zu streicheln, knackte es wieder im Haus. T-Rex Nackenhaare sträubten sich. Er spürte ebenfalls, dass etwas nicht stimmte, dass sich eine unbekannte Person im Haus befand, wusste Donna nun. Sie lauschte. Sie musste das Haus verlassen, wusste sie. Doch wohin? Sie war im Schlafanzug. Das wäre kein Problem, wenn sie ihre Autoschlüssel hätte. Doch die lagen auf ihrem Schreibtisch, in ihrem Zimmer. Außerdem nutzten ihr die Autoschlüssel wenig. Sie hatte zwar vor drei Wochen den Führerschein bestanden, aber noch kein eigenes Auto. Sie durfte das von ihrem Vater nehmen, wenn er es nicht brauchte. Doch die Eltern waren noch bei der Geburtstagsfeier eines Bekannten. Donna hatte keine Lust, mitzukommen, wollte sie doch ihren Geburtstag tags darauf vorbereiten. „Sieh dir nicht so viele Gruselfilme an. Irgendwann hast du nur noch Wahnvorstellungen“, mahnte ihr Vater lachend, bevor sie fuhren. Habe ich schon Wahnvorstellungen? Bilde ich mir das nur ein oder ist wirklich jemand im Haus, führte Donna ihre Selbstgespräche. Sie sprach sich Mut zu, wieder nach oben zu gehen. Kaum betrat sie die erste Stufe der Treppe, winselte T-Rex erneut und versteckte sich hinter Donna. Ein heller Lichtstrahl fiel durch das Glas der Haustüre. Ein Blitz? Es donnerte und regnete überhaupt nicht, überlegte Donna. Doch, der Blitz musste es gewesen sein, was T-Rex so beunruhigte. Hunde spüren das viel eher, dachte Donna, die mit einem großen Schritt wieder an der Haustüre stand und den Türgriff fest umklammerte. Die stockfinstere Nacht, dass das Licht der Straßenlaternen diesen Teil des Gartens nicht beleuchtete und die seltsamen Blitze ohne Gewitter, hinderten Donna, die Tür zu öffnen und zu fliehen. Wie eine Gefangene stand sie im Flur. Es blitzte erneut. Nun hatte sie Gewissheit. Der Blitz war menschengemacht. Der Lichtstrahl traf nicht von oben herab, sondern von unten herauf. Es war nicht nur ein Eindringling im Haus, auch im Garten lauerte jemand. Sie mussten gesehen haben, dass ihre Eltern wegfuhren. Wahrscheinlich dachten die Einbrecher, das Haus sei leer. Was würden sie tun, wenn sie mich hier finden, überlegt Donna, den Tränen nahe. Selbst T-Rex war nun ungewöhnlich still. Erneut blitze es im Flur auf. Donna wartete noch ein paar Sekunden und riss dann die Haustür auf. Genau in dem Moment, als wieder ein Blitz aufleuchtete. Donna sah direkt in den Lichtstrahl. Ein greller gleißend weißer Lichtstrahl, der aus den Augen eines Tieres kam. Eines überdimensional großen Hasen. Johnny? Hatte es funktioniert? War dies ein verwunschenes Stück Erde hier? Welche Gräuel waren hier verübt worden? Unsinn, schalt sich Donna. In dem Film wurden echte Tiere wieder lebendig. Aber keine Kuscheltiere würden echte Tiere werden. Scheinbar doch. Nun hörte Donna ein Auto fahren. Es blitzte wieder auf, doch Donna konnte nicht mehr unterscheiden, ob es der überdimensional große Hase war oder die Scheinwerfer des Autos. T-Rex winselte. „Los“ rief Donna, schlug die Haustür zu, rannte gellend schreiend die Treppe hoch in ihr Zimmer und sperrte die Zimmertür zu, warf sich ins Bett und zog die Decke über den Kopf. Der kleine verängstigte Dackel versteckte sich am Fußende unter der Bettdecke. Als Donna die Augen aufschlug, war es hell in ihrem Zimmer. Neun Uhr zeigte der Wecker an. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“, gratulierten ihre Eltern und Amy und überreichten ein Geschenk, noch bevor Donna aufgestanden war. Eine DVD Box mit den besten Psychothrillern von Stephen King bis zum Schweigen der Lämmer. Donna lächelte, bedankte sich kleinlaut, stand auf und ging zu ihrem Fenster. Aufmerksam suchte sie die Umgebung ab. Dann fiel ihr Blick auf den überdimensional großen Hasen. Donna schauderte. „Der Hase hat Gruselfaktor und gehört zum Geschenk dazu“, meinte Donnas Vater grinsend. „Wir werden es heute Abend ausprobieren“, versprach er. Donna verneinte lächelnd. „Aus diesem Alter bin ich raus.“
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