
Für die einen sind die Düfte eine Freude, für andere ein lebensbedrohliches Problem. Doch auch natürliche Stoffe und solche, die geruchlos sind, setzen den Betroffenen massiv zu.
Die Krankheit Multiple Chemikalien Sensibilität (MCS) beginnt schleichend und schlägt plötzlich richtig zu. Dass die Symptome durch Chemikalien und Duftstoffen nicht nur synthetischer Art ausgelöst werden, darauf stoßen die Betroffenen oft sehr spät oder zufällig. Der eine reagiert auf frisches Obst und auf die Gerüche von Holz. Der andere auf Waschmittel, Hygieneartikel, auf die Lösungsmittel und Chemikalien in Farben, Lasuren, Lacke und Putze oder auf Schimmelpilze, natürliche Düfte und ätherische Öle. Auch die Symptome sind unterschiedlich. Während manche Betroffene mit heftiger Neurodermitis, mit migräneartigen Kopfschmerzattacken oder Kreislaufproblemen und Schwindelanfälle reagieren, bekommen andere schwere Atemnot. Nur wenige Minuten den problematischen, oft unsichtbaren und selbst geruchlosen Stoffen ausgesetzt zu sein, reichen völlig aus. Zu Anfangs beruhigen sich die Symptome schneller, bald jedoch ist keine Toleranz mehr vorhanden. MCS – Kranke reagieren auf kleinste Mengen der Stoffe, die teils nicht einmal messbar sind. Alleine dieses Vielfalt lässt ahnen, wie schwierig eine Behandlung ist. Denn es sind selten Einzelstoffe. Das Gefährliche ist der Chemikalienmix, aus dem die genannten Produkte bestehen. Warum nun bekommt ein Mensch heftigste Atemnot, wenn er nur wenige Minuten mit den flüchtigen Stoffen in Berührung kommt, während andere extra einen Tropfen Parfüm ins Badewasser träufeln, um besonders gut und langanhaltend zu duften? Aufgrund einer genetischen Erkrankung kann der Körper der Betroffenen nicht entgiften. Je mehr synthetischen und natürlichen Problemstoffen der Betroffene ausgesetzt ist, desto vielfältiger und schwerwiegender werden die körperlichen Probleme. Die Krankheit schreitet immer weiter fort und ruft weitere Symptome auf den Plan. Masken als Schutz vor den inhalativen Stoffen sind für diese Betroffene ein lebensnotwendiges Muss. Fliehen können sie kaum. Die Freizeitgestaltung ist auf die chemiefreie Wohnung beschränkt. Selbst sich mit Freunden zu treffen, wird schwierig. Denn überall lauern diese Stoffe: in den Deos, in den Waschmitteln- und Weichspülern. Kontaktbeschränkungen und Maske gehören für MCS Erkrankte bereits seit Jahren zur Tagesordnung. Einfach Medikamente dagegen gibt es nicht und wenn es diese geben würde, wären die Füllstoffe oder Zusatzstoffe der Problemfaktor, der die typischen Krankheitssymptome wieder hervorruft. Die Zahl der Betroffenen ist steigend. Die Krankheit ist bekannt, aber nicht anerkannt. Andere Länder wir Amerika oder Dänemark sind da bereits einen Schritt weiter. So bleibt den Betroffenen nur die Stoffe zu meiden so gut es geht und der Austausch mit Leidensgefährten. Zu den Umwelterkrankungen zählen die neuroimmunologischen Erkrankung Myalgische Enzephalomyelitis (ME), das Chronische Fatigue-Syndrom (CFS) oder die multisystemische Chemikaliensensitivität MCS und das Eosinophilic Cationic Protein (ECP).
Rücken die Umwelterkrankungen nun mehr in den Fokus der Verantwortlichen? Zumindest führt das LGL, das Landesamt für Lebensmittel und Gesundheit ein Projekt durch. Margit Kanter-Kissenberth, selbst Betroffene, gründete nicht nur eine Online – Allianz mit anderen Selbsthilfegruppen, sondern hat dem LGL für das Projekt in einem Schreiben mitgeteilt, was Betroffene brauchen, um ein besseres Leben führen zu können.
Interview mit Margit Kanter-Kissenberth:
FG: Rücken Umwelterkrankungen nun mehr in den Fokus, da Ihre Stellungnahme gewünscht war?
M. K-K: Durch unsere Stellungnahme spüren wir noch keine Änderung. Das Projekt von LGL läuft bis Ende September 2021. Es wurde mir schriftlich zugesichert: „Alle eingegangenen Beiträge der Betroffenenvertretungen zu den verschiedenen Themen rund um die Behandlungs- und Versorgungssituation von Patienten mit umweltattribuierten Symptomkomplexen sowie ME/CFS werden gesammelt und zusammengefasst. Die Vertreter der verschiedenen medizinischen Fachdisziplinen der bayerischen Universitätskliniken werden unter anderem basierend auf diesen Rückmeldungen ein interdisziplinäres Konzept bezüglich der Behandlung von Menschen mit umweltattribuierten Symptomkomplexen sowie ME/CFS erarbeiten.“
FG: In welcher Funktion haben Sie diese Stellungnahme vorbereitet
M. K-K. :Ich habe als Betroffene und als Privatperson in Hand genommen eine Allianz der Selbsthilfegruppen (Betroffenen und Angehörigen), die an multisystemischen Umwelterkrankungen (ME/CFS, MCS, EHS, Fibromyalgie) leiden zu gründen um aufzuklären und zu informieren.
FG: Was sind die Schwierigkeiten, die Betroffene haben?
M.K-K: Die Gerüche (Parfüm, Shampoo, Weichspüler, Duftstoffe, ) in der Umgebung, im Bus, in der Bahn, im Büro und am Arbeitsplatz und unterwegs.
In der Wohnung oder im Haus können Schimmelpilze, Farbe, Lacke, Holzschutzmittel Probleme bereiten.
Die Reaktion auf E-Stoffe, Zusatzstoffe, Farbstoffe, Füllstoffe in den Medikamenten oder in Infusionen
Selbst in den Räumen im Krankenhaus geht es nicht ohne chemische Putz- und Reinigungsmittel
Etliche Baustoffe sind nicht chemiefrei: Farben, Lacke, Klebstoffe und auch ein einfacher Zahnarztbesuch kann problematisch werden, durch die Füllstoffe im Zahnersatz beispielsweise.
FG: Wie kann den Betroffenen geholfen werden?
M.K-K: Durch Aufklärung und Information. Ein Informationsportal baue ich gerade auf. Und natürlich wird den Betroffenen mit Rücksichtnahme und Verständnis geholfen.
Wer seine Geschichte erzählen möchte, kann gerne schreiben.
Oder an: info@frankengedanken.de