Unter einem der ältesten Bäume Deutschlands wurde verurteilt

Die Kasberger Linde – eine Gerichtslinde

Es ist faszinierend, welche Geschichten hinter den Naturdenkmälern stehen. Ein Naturdenkmal wie die Kasberger Linde. Ihr genaues Alter ist nicht bekannt, wird auf 600 Jahre bis 1000 Jahre geschätzt. Manche schätzen sie sogar auf über 1000 Jahre. Die Kunigundenlinde, so der Name der Kasberger Linde, wäre dann eine der zehn ältesten Bäume in Deutschland. Ob der Baum dem Namen nach von Kaiserin Kunigunde 1008 gepflanzt wurde, als ihr Ehemann das Bistum Bamberg gründete, ist nicht geklärt und fällt manchen Heimatforschern zufolge in die Kategorie Gerüchte. Doch diese Linde war eine Gerichtslinde. Heißt, dort wurde über die kleinen und großen Verbrechen der Landsleute und Gräfenberger Gericht gehalten und das Urteil erlassen. Das ist dann der erschreckende Teil der Geschichten, die hinter den Naturdenkmälern stehen. So friedlich die Linde, wie im menschlichen Leben im Alter gestützt, auch wirkt, so brutal war so manches Urteil, das unter der Linde gesprochen wurde. Unglaublich, dass sich Menschen solche Strafen ausgedacht und ausgeführt haben wie beispielsweise an dem „armen“ Franz Seuboldt. Er war der Sohn des Nürnberger Vogts und zog der Liebe wegen nach Gräfenberg, heiratete und kaufte sich ein Haus. Ob er deswegen sieben Jahre später in Geldnot kam, ist nicht überliefert. Nur dass er fast bankrott war und seinen Vater um einen finanziellen Zuschuss bat. Wann, das ist ebenfalls nicht bekannt, nur dass der Vater im September 1589 in seinem Vogelherd in Strahlenfels hinterrücks erschossen und tags drauf tot aufgefunden wurde. In den damaligen Schriften klingt das ein bisschen emotionaler: „Er wurde hindterwerts jämmerlich unnd dermassen in den leib geschossen, das er volgenden abends mit großen schmertzen unnd wehklagen tods verschieden.“ Pech nur für den Sohn, der in dem Ort urlaubte. Natürlich wurde Franz verdächtigt, seinen Vater ermordet zu haben und daraufhin über Gräfenberg nach Nürnberg gebracht und ins „Loch“ geworfen wurde. Franz bangte um sein Leben und tat, was jeder tun würde: Er stritt die Tat ab. Doch die Herren glaubten ihm nicht. Angeblich wurde er bei der Tat beobachtet, ebenso wie er nach dem Schuss aus dem Wald floh. Die Drohung verfehlte ihre Wirkung. Franz imponierte es nicht. Er hatte keine andere Wahl, als den Mord weiterhin abzustreiten, woraufhin er gefoltert wurde. In den Schriften klingt das ein wenig harmlos: „Als er nicht gestehen wollte, wurde er gepunden und bedrohet.“ (Häuserchronik Gräfenberg, Gerhard Gundelfinger, Seite 422). Letztendlich gestand Franz und bat selbst darum, die Strafe zu bekommen, die er verdient habe. Der Vater wollte ihm nicht helfen. Weder finanziell, noch als Bürge. Schon zwei Mal habe er versucht, den Vater zu vergiften. Vergeblich. Nun hat Franz geschossen. Alle Taten habe ihm der „böse Geist“ – der Teufel- eingeflüstert, erklärte der Angeklagte, der damit um Gnade bat. Am 21. Oktober 1589 wurde das Urteil verkündet. Franz sei ein Mörder und Missetäter. Zum Tod durch Rädern wurde er verurteilt. Es war ein grausamer und schmerzhafter Tod. Mit einem schweren Eisenrad wurden diese Menschen zermalmt. Oft wurden ihnen schon vorher einzelne Glieder zermatscht oder mit glühenden Zangen bearbeitet. Als abschreckendes Beispiel wurden die Hingerichteten noch auf das Wagenrad gelegt, für jedermann sichtbar. Vollstreckt wurde das Urteil nicht unter der Linde. Ob Franz unter der Kasberger Linde schuldig gesprochen wurde, wie viele andere auch, ist nicht ganz bekannt. Noch immer ist fraglich, ob es sich bei den Gerichten unter der Linde um die Kasberger Linde handelte. Jedenfalls wurde unter der Linde bis Ende des Mittelalters Urteile gefällt, im 13. Jahrhundert durch den Auerbacher Landrichter Schrannengericht mit ganzem Gerichtsstab gehalten. Dieser Stab war vor allem bei Blutgerichtsbarkeit verwendet worden. Der Stab wurde nach dem Urteil zerbrochen. Daher die Redewendung „den Stab über jemanden brechen“. Als Gerichtslinde ging die alte Kasberger Kunigundenlinde jedenfalls in die Bücher ein und zählt sicher nicht nur zu den ältesten Bäumen in Deutschland, sondern ebenfalls zu den schönsten.

Quellen: Gräfenberger Häuserchronik von Gerhard Gundelfinger und Wikipedia und Hans-Peter Reck Vorstand der Altstadtfreunde.

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